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"Die Presse"-Leitartikel: Zu spekulantophob, um wahr zu sein, von Michael Prüller
Ausgabe vom 17.05.2010
Wien (OTS) - Transaktionssteuer klingt so schön nach Zähmung der
widerspenstigen Märkte. In Wahrheit tut sie nur so.
Die grassierende Sündenbock-Rhetorik nach dem Motto "Hetzt die
Spekulanten!", ist aus dreierlei Gründen nicht nur dumm, sondern auch
gefährlich: Sie vernebelt zum ersten die exakte Diagnose der Fehler
im System. Sie lenkt zum zweiten die Therapievorschläge auf eine
Nebenfront, wo die Krise nicht besiegt werden wird. Und sie macht zum
dritten selbst in honorigen politischen Zirkeln die Pflege
populistischer Zerrbilder zu etwas Alltäglichem, zu einer gängigen
Krisenstrategie.
Wie schön wäre es, wenn jeder Politiker, bevor er etwas über
Spekulanten sagen darf, zuerst vor einer Expertenjury schlüssig
erklären müsste, wie Spekulationen etwa auf Devisen- oder
Anleihemärkten funktionieren. Das halbe Dutzend Politiker pro Land,
das diesen Test besteht, hätte dann durchaus das Zeug dazu, nicht nur
die Krise erfolgreich bekämpfen zu können, sondern auch die
Finanzmärkte unter genau so viel Kontrolle zu halten, wie die Welt es
braucht.
Sei's drum. Es wird eh nicht passieren. Wir werden also weiterhin
täglich von irgendwem hören, dass ihn irgendwas an George Soros und
den 16. September 1992 erinnert, als dieser die Bank von England
gesprengt hat. Und weiterhin werden täglich Leute über die Einführung
einer Finanztransaktionssteuer fantasieren, die wissen müssten, dass
so eine Steuer nichts gegen spekulative Angriffe auszurichten vermag
und wenig Geld in die Kassen spült, aber so wunderbar danach klingt,
dass es endlich den Geschäftemachern an den Kragen geht, die ja an
allem schuld sein sollen.
Was Soros betrifft: Er hat damals tatsächlich durch seine
Vorbildwirkung so viele Menschen dazu gebracht, britisches Pfund zu
verkaufen, dass die Bank von England weder genug Devisenreserven
hatte, um dagegenzuhalten, noch die Zinsen so steigern konnte, dass
das Pfund für Käufer wieder attraktiv geworden wäre. Die Folgen:
Soros hat mit einem Spekulationsvolumen von 15 Milliarden Pfund eine
Milliarde Gewinn gemacht. Die Spekulanten, mit denen Soros gewettet
hatte, haben sehr viel Geld verloren. Das Pfund fiel gegenüber dem
Dollar um 25 Prozent, und die schwere Rezession auf der Insel hörte
auf. Für die Erlösung von der politisch künstlich aufrechterhaltenen
ruinösen Überbewertung des Pfunds hätten die Briten Soros eigentlich
die Ehrenstaatsbügerschaft verleihen müssen.
Und zur Finanztransaktionssteuer, die entgegen dem Wunschbild mancher
Befürworter ja keine Steuer auf Spekulationsgewinne, sondern eine
Gebühr für Geldgeschäfte wäre: Sie ließe sich natürlich jederzeit,
auch im Alleingang eines Landes, einführen, wie es derzeit etwa
Spitzen der SPÖ, Christoph Leitl oder der oberste deutsche
Gewerkschaftsboss fordern. Solche Steuern gab es als
Börsenumsatzsteuern in vielen Ländern, und in manchen gibt es sie
noch. Aber was brächte das? Die meisten gebührenpflichtigen Geschäfte
würden dann halt im Ausland getätigt (als Stockholm 1984 eine solche
Steuer einführte, sollen die Anleihenumsätze um 85 Prozent
eingebrochen sein, die Steuer brachte dann statt 1,5 Milliarden nur
50 Millionen Kronen ein).
Und Spekulanten wie George Soros würden darüber nur kichern. Nicht
wer lange lauert und dann große Summen auf ein Pferd setzt, wird viel
Transaktionssteuer zahlen, sondern vor allem die Arbitragehändler,
die von kleinen Kursungleichgewichten leben und eine von vielen
Experten begrüßte Hygienefunktion auf den Märkten ausüben. Ein
Rechenbeispiel: Wer zweimal pro Tag eine Million Euro einsetzt, würde
mehr Transaktionssteuer zahlen als einer, der einmal pro Jahr mit
einer halben Milliarde zockt. Der Erste hat eine Renditeerwartung je
Deal von vielleicht 0,1 Prozent - eine Steuer von 0,1 Prozent auf
seine Umsätze würde sein Geschäftsmodell zunichtemachen. Der andere
erwartet sich vielleicht 20 Prozent Gewinn; und ob es nach Steuern
nur 19,9 Prozent sind, ist ihm ziemlich egal. Ein Extrembeispiel,
aber es zeigt die eigentlich spekulantenfreundliche Schlagseite einer
Transaktionssteuer.
Als Banken- oder Finanzmarktabgabe, wenn man denn eine will, ist
natürlich auch die Transaktionssteuer tauglich. Aber ihre
Lenkungswirkung ist nicht die, die man uns vorgaukelt. Sie macht die
Finanzmärkte erratischer, weil Korrekturen dann nicht mehr sofort und
fast stufenlos erfolgen, sondern in Sprüngen. Und die Zahl der
Marktteilnehmer wird geringer, ihre relative Größe und
Manipulationsmacht steigt damit an. Und es schaut bei Weitem nicht
genug Steuergeld dabei heraus, um die Erhöhung von Massensteuern zu
vermeiden. Aber es klingt halt so gut: eine Steuer auf
Spekulationsgeschäfte! Auf die Bösen! Denn die Krise ist ja nicht
dadurch entstanden - nein, nein! -, dass das spekulative "Es wird
schon irgendwie gehen" in den letzten Jahren unser aller Motto war.
Rückfragehinweis:
Die Presse
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